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Die Zinsen werden fallen – aber noch nicht jetzt!

Die Europäische Zentralbank hat im Juli 2022 den Zinssatz für das Hauptrefinanzierungsgeschäft unter Banken das erste Mal seit 2016 auf 0,5 Prozent angehoben. Über sechs Jahre lang lag dieser vorher bei 0 Prozent. Seit dieser ersten Anhebung hob die Zentralbank diesen Zins weitere neun Mal auf das aktuelle Niveau von 4,5 Prozent im September 2023 an.

Wie ist diese Phase der Zinssteigerungen einzuordnen?

Innerhalb der letzten 25 Jahre stiegen die Zinsen nie so schnell und nie derart stark. Die Notenbank bekämpft mit diesen Zinsanhebungen die Inflation mit dem Ziel die Stabilität der Geldentwertung in den Griff zu bekommen. Vor uns lagen Jahre mit nahezu keiner Inflation und niedrigsten Zinsen für Kreditnehmer und Geldanleger. Negativzinsen für Anleger waren allgegenwärtig.

Europas größte Volkswirtschaft, die Deutsche, befindet sich in der Rezession und die massive Inflationsbekämpfung zeigt erste, langsame Auswirkungen – die Inflationsrates beginnt langsam zu sinken. Damit einher geht ein deutliches Abschwächen der Volkswirtschaft und es stellt sich die Frage, wann die Notenbank zur Unterstützung der Volkswirtschaft die Zinsen wieder senken wird. Hierauf hoffen bereits seit einigen Monaten viele Marktteilnehmer, deren Hoffnung gerade bitter enttäuscht wird.

Wie lange werden die Zinsen auf dem aktuellen Niveau verharren?

In den vergangenen einhundert Jahren sind die Zinsen im Durchschnitt nach dem Erreichen des Tops rund neun Monate auf diesem Niveau geblieben. Selbst wenn es die Mal schneller gehen sollte als im Durchschnitt, dann ist aus dieser Betrachtung abgeleitet frühestens am Ende des ersten Quartals 2024 mit sinkenden Zinsen zu rechnen.

Kann es in Europa mit den Zinsen sogar noch weiter nach oben gehen?

Spätestens seit dem Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten und der politischen Unsicherheit stieg der Ölpreis und dies bedeutet zuerst teurere Produktionskosten und letzten Endes teurere Güter. Dies heizt die Inflation weiter an. Dies könnte, je nachdem wie sich die Lage im Nahen Osten weiter gestaltet, für noch weiter steigende Zinsen sprechen. Losgelöst von dieser prekären politischen Situation sollten die Zinsen zumindest in Europa auf dem Top angekommen sein.

Wie sieht es in den USA aus?

In den USA stellt sich die Situation ähnlich, aber auch ganz anders dar. Die amerikanische Notenbank hat vor der EZB begonnen, die Zinsen zu erhöhen und diese liegen noch über dem Niveau der Eurozone. Dort befindet sich die Volkswirtschaft allerdings nicht in der Rezession und die Wirkung der Zinssteigerungen lässt noch länger auf sich warten. Somit wird sich die Zinswende in Europa voraussichtlich früher als in den USA vollziehen.

Wie sieht der Kapitalmarkt die Situation?

Der Kapitalmarkt rechnet fest damit, dass die Zinsen bereits in einem Jahr und in den Folgejahren deutlich fallen werden. Die Zinsstrukturkurve ist invers. Dies bedeutet, dass die Zinsen bei kurzen Laufzeiten höher sind als bei langen.

Was kann der renditesuchende Anleger aus der aktuellen Situation konkret ableiten?

Für die Anlagen in festverzinslichen Wertpapieren eröffnen sich aktuell und in den kommenden Wochen gute Gelegenheiten zu investieren. Das erhöhte Zinsniveau sollte genutzt werden, die Anlagen in dieser Anlageklasse zu verstärken und qualitativ hochwertige Anleihen mit verschiedenen Laufzeitbändern zu kaufen. Dadurch wird das aktuelle Zinsniveau bis zur Fälligkeit gesichert. Sollten die Zinsen wieder fallen, winken Kursgewinne in der Zukunft. Bei einer sinkenden Inflation werden nach vielen Jahren der Tristesse wieder reale Renditen realisierbar sein.

Für Aktienanleger gilt es zu beachten, dass steigende Zinsen für die Profitabilität der Aktiengesellschaften je nach deren Verschuldungsgrad negativ wirken. Das sehen wir gerade an den fallenden Aktienmärkten. Allerdings werden in Zukunft sinkende Zinsen die Aussichten verbessern und dann wieder Wind unter den Flügeln dieser Anlageklasse bedeuten.

Hier gilt es geduldig zu warten und dann beherzt, bei einem sich andeutenden nachhaltigen Sinken der Zinsen in Aktien zu investieren. So lange sollten die für diese Anlageklasse bereitstehenden Gelder im aktuellen Umfeld zu rund fünfzig Prozent investiert sein und der Rest als verzinste Liquidität gehalten werden. Es werden sich Chancen bieten und hier gilt es dann konsequent zu handeln.

Also:

Butter bei die Fische!

Heiko Löschen

GSP asset management

Auch erschienen bei finanzen.net
Heiko Löschen

Neben der Beratung und der Vermögensverwaltung ist Heiko Löschen für die Öffentlichkeitsarbeit und die Weiterentwicklung der GSP asset management GmbH verantwortlich. Bei n-tv ist er als Kapitalmarktexperte gefragter Interviewpartner.